„Wir könnten die Immobilienportale auch abschalten“
Alles automatisiert: „Objekt in Vorbereitung“, Objektrotation und Interessentenkartei. Im Interview mit der AIZ erklärt Immobilienmakler Matthias Thater, wie er sich mit automatisierten Geschäftsprozessen von den Immobilienportalen unabhängig macht.
Interview von Anne Meyer-Gatermann
AIZ: Sie bieten über Immobilienportale „Objekte in Vorbereitung“ mit unscharfen Fotos an. Warum machen Sie das?
Matthias Thater: Ein Eigentümer, der mit unserer Hilfe sein Haus verkaufen möchte, hat folgende Ansprüche: Er will, dass es sehr schnell geht, dass wir einen hohen Preis erzielen und er will damit keine Arbeit haben. Deshalb ist es clever, wenn man die Käufer schon vorher kennt. Ohne das Angebot werblich zu verbrennen, können „Objekte in Vorbereitung“ direkt nach dem Auftragseingang
beworben werden. Wir nutzen damit die Zeit vor der eigentlichen Verkaufsphase optimal und lösen eine hohe Nachfrage aus. Die Interessenten bekommen erste Eckwerte: den Stadtteil, die Wohnfläche und Grundstücksgröße, aber keine Detailinfos. Außerdem können sie ihren Suchwunsch online in unserer Kartei hinterlegen. Diese Interessenten werden dann automatisch über den Verkaufsstart informiert.
Wie geht es dann weiter?
Hat der Interessent seinen Suchwunsch hinterlegt, ist es ja klar. Alternativ erstellt unser System eine Musteranfrage passend zum angefragten Objekt und schlägt dem Interessenten dieses Suchprofil automatisch vor. Mit der Musteranfrage haben wir dem Suchenden schon einmal Arbeit abgenommen, sodass er ganz bequem in unsere Kartei kommt.
Sie teasern die Leute an, aber was machen Sie dann mit den Interessenten?
Das Prinzip „Objekt in Vorbereitung“ verlängert die Sichtbarkeit der Immobilie und lotst die Leute in unsere Kartei. Pro Immobilienverkauf melden sich etwa 170 Interessenten, aber nur einer von denen kann kaufen. Wir haben somit 169 potenzielle Interessenten für den nächsten Verkauf. Kennen wir deren Suchkriterien, können wir ihnen leicht passende Immobilien anbieten.
Wie schaffen Sie es, dass die Objekte so viele Interessenten haben?
Das hat unterschiedliche Ursachen. Zum Beispiel wächst die Interessentenkartei ständig durch die aktuelle Marktsituation, und seit rund zwei Monaten erproben wir die Idee der Objektrotation in den Immobilienportalen. Die Resultate sind sehr erfreulich, da wir die Objekt- und allgemeinen Suchanfragen deutlich steigern konnten.
Wie funktioniert die Objektrotation?
Wir haben festgestellt, dass wir in der Summe viel mehr Objektanfragen bekommen, wenn wir uns trauen, das Objekt eine Zeitlang offline zu stellen. Pro Portal lassen wir maximal fünf Objekte gleichzeitig zu und sie sind nur 48 und 72 Stunden lang online. Danach ist das Portal für dieses Objekt einige Tage gesperrt. Gerade für Objekte „in Vorbereitung“ oder wenn die Vermarktung länger als geplant läuft, werden die Anfragen durch die Verknappung maximiert. Die Idee der Objektrotation ist vor rund 18 Monaten beim Immobilienprofi vorgestellt worden. Ich kenne aber fast keinen Makler, der das hat. Denn wenn man das händisch macht, ist es sehr zeitintensiv. Das muss gut durchgeplant werden.
Das hört sich kompliziert an, da müsste man wahrscheinlich extra dafür einen Mitarbeiter einstellen, oder?
Ja, und das ist ja keine Aufgabe, die für das Unternehmen zwingend notwendig ist. Wenn man dann mal eine hohe Arbeitsbelastung hat, kümmert sich eine Woche lang keiner und dann kollabiert das System. Wir haben es auch erst händisch versucht und dann festgestellt, dass wir das nicht hinbekommen.
Wie haben Sie es dann gelöst?
Wir haben jetzt ein Software-Tool, das haben wir extra dafür programmieren lassen.
Nach welchen Prinzipien arbeitet diese Software?
Im Mittelpunkt steht unsere Homepage, die wir stärken wollen. Hier sind immer alle Angebote mit allen Informationen, Fotos und virtuellen Besichtigungen verfügbar. In die Portale stellen wir immer nur ein Objektfoto mit einem Hinweis auf unsere Homepage. Die Software kennt unseren Marketingplan und entscheidet, welches Angebot wann und wo online gestellt wird. Gibt es in einzelnen Portalen Engpässe, erkennt die Software, welches Objekt unbedingt online gehen muss und welches warten kann.
Wie praktisch.
Klar, und mal ganz ehrlich: Wer hat denn Lust, sich jeden Morgen damit zu beschäftigen, welches Objekt er wohin verschieben muss. Die Konsequenz der automatischen Objektrotation ist aber auch, dass es bis zu 30 oder 40 Objektanfragen am Tag geben kann.
Was ja erst einmal sehr schön ist.
Ja, aber es ist auch viel Arbeit, denn die Interessenten müssen ja nicht nur über das angefragte Objekt informiert werden, sondern sie sollen auch in die Interessentenkartei aufgenommen werden. Die allermeisten, die wir in die Kartei aufnehmen, werden ja nie bei uns kaufen. Außerdem entwickeln sich die Suchwünsche der Interessenten weiter. Meist fangen sie nach dem Maximalprinzip an: vorne Fußgängerzone, hinten Kühe und kosten soll es nix. Erst später gehen sie Kompromisse ein, suchen in anderen Sujets oder beenden die Suche. Das alles müssen wir irgendwie zeitnah erfahren. Zurzeit verwalten wir rund 800 Anfragen, die sind im Schnitt 45 Tage alt, und keine ist älter als 108 Tage.
Und wie machen Sie das?
Wir haben eine komplett automatisierte Kartei. Nur über unsere Homepage können Interessenten eine Suchanfrage anlegen. Und nur einmal kontrollieren wir manuell, ob die Adresse plausibel ist. Alle weiteren Schritte sind automatisiert: die Anfragen-Aktivierung, regelmäßige Bestätigung, Änderung oder Löschung. Das steuert unsere Software in Kombination mit unserer Homepage und personalisierten Mails.
Und wenn ein Kunde keine E-Mail-Adresse hat?
Dann können wir ihn nicht informieren, und er wird wahrscheinlich bei uns keine Immobilie kaufen. Mir ist wichtig, dass unsere Lösungen für 90 Prozent der Fälle funktionieren. Egal wie ich es mache, zehn Prozent Ausnahmen gibt es immer. Wenn ich für zehn Prozent Ausnahmen mache, werden meine Prozesse zu kompliziert und zu teuer. Und 90 Prozent leiden darunter. Deshalb akzeptieren wir, dass wir diese Interessenten wahrscheinlich verlieren.
Wie fällt Ihre erste Bilanz Ihres neuen Tools aus?
Extrem gut. Die Interessenten sagen, wir seien der einzige Makler der sich verlässlich und regelmäßig meldet. Außerdem finden sie es angenehm zu entscheiden, wann sie sich um Ihr Suchprofil kümmern wollen. Entsprechende „Serviceanrufe“ könnten wir in der Quantität und Qualität gar nicht leisten.
Ein Nebeneffekt ist, dass Sie sich damit unabhängiger von den Immobilienportalen machen, oder?
Ja, das ist ein wesentlicher Aspekt der Objektrotation und der automatisierten Interessentenkartei. Meiner Meinung nach hätten es die Portale gerne, wenn der Schwanz mit dem Hund wedelt. Mir ist lieber, wenn der Hund mit dem Schwanz wedelt. Die Immobilienportale sind für mich Dienstleister, und ich möchte nicht Zulieferer für die Portale werden.
Zeichnen sich schon Effekte dieser Strategie ab?
Ja, das ist so. Wenn wir eine Immobilie im Angebot haben, schreiben wir im ersten Schritt 130 Interessenten mit genau passendem Suchprofil an. 40 weitere Interessenten, also ein Drittel, lernen wir später über andere Wege kennen. In diesem Jahr haben zum ersten Mal nur 15 Prozent aller Käufer eine Immobilie über ein Immobilienportal angefragt. Zu 85 Prozent kam der erste Kontakt über andere Quellen zustande. Zum größten Teil wurden die späteren Käufer aufgrund eines passenden Suchprofils informiert. Das angenehme dabei ist: Sollte ein Immobilienportal zukünftig ein unangemessenes Preis-Leistungs-Verhältnis haben, können wir es einfach abschalten. Die Auswirkungen auf unsere Arbeit dürften in dem Fall nicht messbar sein.
Das Interview als PDF-Datei: Hier klicken und herunterladen…
Quelle:
Interview von Frau Anne Meyer-Gatermann
Veröffentlicht im November 2015 im AIZ – Das Immobilienmagazin
Herausgeber ist die IVD Service GmbH – www.ivd.net